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Projekt in Darmstadt Am 15. Juni 2010 jährt sich zum 120. Mal der Geburtstag von Wilhelm Leuschner. Aus diesem Anlass hat die Wilhelm-Leuschner-Stiftung eine Ausstellung für die Darmstädter Falken im Stadtteil Arheilgen zusammengestellt, die diese in den nächsten Wochen für ihre Gruppenarbeit in ihrem Jugendhaus ‚Wilhelm-Leuschner-Haus’ einsetzen und sich mit dem Leben und Wirken Wilhelm Leuschners befassen. Im September werden dann Mitarbeiter der Stiftung ein Gruppengespräch mit ihnen auf Video aufnehmen, bei dem sie ihre Ansichten zur Bedeutung Leuschners für die heutige Jugend äußern werden. Zum 120. Geburtstag 2010 wird in diesem Jahr das Videoprojekt der Stiftung über die Biographie Leuschners fertig gestellt. Dieses wird in der Gedenkstätte zu sehen sein und als Unterrichtsmaterial von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit herausgegeben und den Schulen für den Unterricht zur Verfügung gestellt werden. Damit wird die Gedenkstättenarbeit der Stiftung bundesweit weiter ausgedehnt und die Projektarbeit mit den regionalen Schulen ergänzt. 

Wilhelm Leuschner wird am 15. Juni 1890 in Bayreuth, Moritzhöfen 25 im ersten Stock des Hauses geboren. Seine Eltern waren Marie Barbara Dehler, eine Weißnäherin, und Wilhelm Leuschner, ein Töpfer, der in der Ofenfabrik Sailer in der Wolfsgasse in Bayreuth arbeitete. Seine ersten beiden Lebensjahrzehnte sind durch die Volksschulzeit von 1897 bis 1904 und seine Ausbildung ab Ostern 1904 zum Holzbildhauer in Bayreuth bestimmt. Hier lernt er die Organisationen der Bayreuther Arbeiterbewegung kennen und diese frühe Erfahrung prägt sein ganzes Leben. Der Kampf für die gesellschaftliche Teilhabe der Arbeiterschaft und ihr Zugang zur Bildung bestimmen seinen weiteren gesellschaftlichen Aufstieg. In Bayreuth wird er von dem bekannten Vergolder und Kirchenrestaurator Arthur Geyer in der Richard-Wagner-Straße 29 zum Holzbildhauer ausgebildet. Vor der Handwerkskammer Oberfranken in Bayreuth legt er mit Auszeichnung seine Gesellenprüfung ab. Sein Abschlussdiplom vom 21.8.1907 und seine Holzschnitzarbeiten für die praktische Prüfung befinden sich heute im Archiv der Wilhelm-Leuschner-Stiftung.

In Bayern verbietet das Vereinsgesetz Lehrlingen die Gewerkschaftsmitgliedschaft. Dieses Verbot wird  erst im Jahr 1908 aufgehoben. So wird er gleich nach Abschluss seiner Lehre im Mai 1907 in Bayreuth Mitglied der Gewerkschaft. Die Zahlstelle des Bayreuther Holzbildhauerverbandes stellt ihm sein erstes provisorisches Mitgliedsbuch aus. Mit diesem kann er bei seiner Wanderschaft in den Zahlstellen des Verbandes Reiseunterstützung erhalten.

Ab  Juli 1907 geht er auf Wanderschaft und folgt damit der Tradition der deutschen Handwerker. Unter anderem arbeitet er in Klein Crostitz nordöstlich von Leipzig. Im Mai 1908 geht Leuschner nach Darmstadt wegen der berühmten Jugendstil-Ausstellung auf der Mathildenhöhe und  findet Arbeit und Logis bei dem Bildhauer Rudolf Asmus in der Neuen Niederstraße 11. Ein Jahr später geht Wilhelm Leuschner nach Bayreuth zurück, da seine Mutter schwer erkrankt ist. Sie stirbt am 28. Mai 1909 und er geht in Bayern auf erneute Wanderschaft.

Vom Oktober 1909 bis zum März 1910 belegt er ein Grundsemester Bildhauerei an der Königlichen Kunstgewerbeschule in Nürnberg. Wegen der Geburt seines Sohnes Wilhelm am 17.1.1910 muss er sein Studium im  März 1910 beenden und im Sommer kehrt er zurück nach Darmstadt um die Familie zu ernähren. Er arbeitet als Holzbildhauer in der Hofmöbelfabrik Glückert in Darmstadt, die viele Holzarbeiten in Bürgerhäusern in Darmstadt durchführt und internationale Geschäftsverbindungen zu den adeligen Herrscherhäusern in England und Russland hat. Seine Tochter Käthe wird am 4.4.1911 geboren und im September 1911 kann er nach seiner Volljährigkeit seine Frau Elisabeth heiraten.

Wilhelm Leuschner macht ab 1911 rasch gewerkschaftliche Karriere, ehrenamtlicher Bezirksleiter des Holzbildhauerverbandes in Darmstadt und stellvertretender Kartellvorsitzender des gewerkschaftlichen Dachverbandes, der Generalkommission der freien Gewerkschaften. Im April 1913 tritt er in die SPD ein, für die er nach seinem Kriegseinsatz (im Herbst 1916 wird er an die Ostfront eingezogen) 1919 Stadtverordneter in Darmstadt wird. Zugleich wird er hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär im Gewerkschaftskartell Darmstadt. Später im Jahr 1926 sogar hessischer Bezirksleiter des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Frankfurt.  

Im Dezember 1924 wird er als Abgeordneter für die Sozialdemokratie in die Hessische Volkskammer und im Februar 1928 in das Amt des hessischen Innenministers gewählt. Nach heftigen Angriffen der Nationalsozialisten gegen sein Ministeramt, folgt er einem Ruf des ADGB-Vorsitzenden Theodor Leipart und wird im Januar 1933 in den Bundesvorstand des ADGB berufen.

Nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 wird er von den NS-Machthabern aus dem Amt gedrängt und  tritt  als hessischer Innenminister zurück.  Im April 1933 versucht die ADGB-Organisation in Verhandlungen mit den Nazis vor der Zerschlagung zu bewahren und vereinbart mit den Führern der anderen Richtungsgewerkschaften einen ‚Führerkreis der vereinigten Gewerkschaften’. Jakob Kaiser von den christlichen Gewerkschaften wird dabei sein wichtigster Partner. Mit ihm arbeitet er im nachfolgenden illegalen Widerstand gegen den Nazi-Terror eng zusammen.  

Die Nationalsozialisten zerschlagen am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftsorganisationen. Wie viele andere aktive Gewerkschafter und politische Gegner der Nationalsozialisten wird Wilhelm Leuschner verhaftet. Nach seiner Freilassung am 5. Mai soll er die Nazi-Organisation ‚Deutsche Arbeitsfront’ (DAF) vor dem Internationalen Arbeitsamt in Genf im Juni 1933 gemeinsam mit  deren Reichsführer Robert Ley legitimieren. Er fährt zwar mit nach Genf, verweigert aber die Mitarbeit und klärt stattdessen die Vertreter der internationalen Gewerkschaften in Ausschusssitzungen über die wahren politischen Verhältnisse in Nazi-Deutschland auf.

Trotz Warnung vor der Verhaftung durch seine internationalen Gewerkschaftskollegen fährt er  Mitte Juni 1933 nach Deutschland zurück und wird im Bahnhof Freiburg verhaftet. Wilhelm Leuschner wird ein Jahr lang in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert und gequält. Nach der Freilassung im Juni 1934 nimmt er Kontakt mit Jakob Kaiser auf und organisiert den illegalen gewerkschaftlichen Widerstand.

Im Dezember 1936 kann er eine kleine Fabrikationsstätte in Berlin zur Produktion von Bierschankutensilien übernehmen, die bald zur Schaltzentrale der ‚IIlegalen Reichsleitung der deutschen Gewerkschaften’ wird. Durch die für den Verkauf der Schankutensilien notwendige reichsweite Reisetätigkeit hält Leuschner Kontakt zum illegalen gewerkschaftlichen Widerstand und ab 1938 zu den Militärs um Generaloberst Ludwig Beck und der Widerstandsgruppe des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Goerdeler. Leuschner baut gemeinsam mit Julius Leber, Carlo Mierendorff, Theodor Haubach, Ludwig Schwamb und vielen anderen Widerstandkämpfern aus den Gewerkschaften ein Netz von politischen Vertrauensleuten auf, die nach dem Sturz Hitlers die demokratische Macht übernehmen sollen. Viele tausende Menschen sind in diesem Widerstandsnetz im ganzen Reichsgebiet verbunden. Leuschner ist bei den Widerstandkreisen aus Militär, Adel und konservativem Bürgertum hoch angesehen. Es gelingt ihm über weltanschauliche Grenzen hinweg Brücken zu bauen. Nach dem Putsch gegen das Nazi-Regime sollte Leuschner Vizekanzler werden. Im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wird er verhaftet, in einem Schauprozeß vor Freislers so genannten Volksgerichtshof am 7. und 8. September 1944 zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee von den Nazi-Schergen am Strang ermordet.

Seine historische Rolle in der Gewerkschaftspolitik 1933 und in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wird in der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert. Neuere Forschungen zeigen jedoch seine klare Haltung bei der Verteidigung der Republik und der Erhaltung der Gewerkschaftsorganisation als gesellschaftliche Gegenmacht zur Gestaltung sozialer Gerechtigkeit in Gesellschaft und Staat Deutschlands.

Er hat für die Entwicklung der deutschen Demokratie und deren Sozialstaatsprinzip, wie es in Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz ('Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat') zum Ausdruck kommt, einen entscheidenden Beitrag geleistet. Seine Vorstellungen zur Einheitsgewerkschaft, die er bereits 1933  gemeinsam mit dem christlichen Gewerkschafter Jakob Kaiser in Grundzügen entwickelte, sind sein maßgebliches Vermächtnis an die nach 1945 neu entstehende Organisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Mit der Einrichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte im Bayreuther Geburtshaus hat die Wilhelm-Leuschner-Stiftung in Kooperation mit der Stadt Bayreuth eine bleibende Erinnerung an Leuschners Leben und Werk verwirklicht und bemüht sich mit diesem historischen Lernort darum dessen Anerkennung als nationale Gedenkstätte des deutschen Widerstandes im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.

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