„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu.“ Dem sechsjährigen Fritz Bauer (1903-1968) wurde dieser Spruch von seiner Mutter mit auf den Lebensweg gegeben. Er sollte ihn stets als Maxime beherzigen. Als Kind jüdischer Eltern erlebte Bauer schon früh Antisemitismus. Dennoch ging er konsequent seinen Weg, absolvierte das Abitur und das Studium der Rechtswissenschaft. Auf der Flucht vor den Nazis emigrierte die Familie Bauer in den 30er-Jahren zunächst nach Dänemark, später nach Schweden. 1949 kehrte Fritz Bauer in die Bundesrepublik zurück und empfahl sich rasch für das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts. In dieser Position war er unter anderem am Prozess gegen Ernst Remer beteiligt und wirkte an der Ergreifung Adolf Eichmanns mit. Es war der sogenannte (Erste) „Auschwitz-Prozess“ von 1963 bis 1965, von Fritz Bauer initiiert und vorbereitet, welcher ihn endgültig als „Nazi-Jäger“ ins Licht der deutschen Öffentlichkeit rückte. Doch es ging ihm niemals um Rache. Stets hatte er auf ein Zeichen der Reue bei den Angeklagten gehofft, auf „ein menschliches Wort“, wie er es formulierte. In einem umfangreichen, spannenden und berührenden Dokumentarfilm mit dem Titel „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ aus dem Jahr 2010 hat die bekannte Regisseurin Ilona Ziok das Leben Fritz Bauers und seinen mysteriösen Tod aus gegenwärtiger Perspektive neu beleuchtet.
Am 4. Juni 2012 fand im Seminarraum der Wilhelm-Leuschner-Stiftung ein Gespräch mit Studierenden des Fachgebiets Interkulturelle Germanistik und ihrem Dozenten Herrn Dr. Otto über die Inhalte des Films statt. Dabei wurde vor allem die Überraschung insbesondere ausländischer Studierender deutlich, wie schwer sich die bundesrepublikanische Gesellschaft noch in den 1960er-Jahren mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit tat: Fritz Bauer schlug aufgrund seiner Aktivitäten von vielen Seiten Feindschaft entgegen. Einmal stellte er nüchtern fest, dass er sich „außerhalb seines Dienstzimmers in feindlichem Ausland“ befinde. Auch die im Film immer wieder anklingende Frage nach der Möglichkeit individueller Verweigerung innerhalb des NS-Systems wurde von den Studierenden diskutiert. Eine eindeutige Antwort ließ sich nicht finden, wohl aber herrschte Einigkeit mit Bauer, dass Reue ein entscheidender Punkt bei der nachträglichen Beurteilung des individuellen Handelns sei.