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anlässlich der 19. Bayreuther Gespräche 2024

In der Planung für die Stiftungs-Veranstaltungen zum 80. Todestag von Wilhelm Leuschner am 29.9.2024 wurde zuerst mit der Theatergruppe um Jan Uplegger aus Berlin und dem Bayreuther ZENTRUM und dem DGB Oberfranken für die Bühnenaufführungen des Stücks ‚Die Vermessung der Demokratie – Ein Wilhelm Leuschner-Portrait‘ am 29. und 30. September in Bayreuth und Hof Kontakt aufgenommen. Die drei Veranstaltungen sollten sich an Multiplikator: innen aus Schulen, Vereinen und Verbänden richten, um im Rahmen der Demokratieerziehung der Leuschner-Stiftung und der Leuschner-Gedenkstätte diesen wichtigen Jahrestag in Erinnerung zu rufen. Die Bedeutung des Erbes des deutschen Widerstands für die heutige Zeit sollte mit dem Leben und Wirken Leuschners deutlich gemacht werden.

Das 2021 durch den Schauspieler Jan Uplegger und seine Mitstreiterinnen entwickelte und in Bayreuth im Rahmen der 16. Bayreuther Gespräche am 29.9.2021 uraufgeführte Theaterstück, hatte die Idee von Wolfgang Hasibether aufgegriffen, der in seiner Veröffentlichung von 2004 zu Leuschners Wirken anlässlich des 60. Todestages, diesen

in Selbstzeugnissen hatte sprechen lassen. Nach ausführlicher Beratung durch Wolfgang Hasibether im März 2021 und mit Hilfe zahlreicher Dokumente aus dem Stiftungsarchiv, die jene aus dem Nachlass in Darmstadt vervollständigten, wurde das Stück im Herbst 2021 in Darmstadt und Bayreuth aus der Taufe gehoben. Es stellte sich in den folgenden Jahren heraus, dass das Portrait Leuschners ein hervorragendes Mittel ist, jungen Menschen das Leben Leuschners exemplarisch für den deutschen Widerstand näher zu bringen.

In den vergangenen drei Jahren wurde das Stück im In- und Ausland von der Theatergruppe um Jan Uplegger rund vierzig Mal und mehr als die Hälfte dieser Aufführungen bei schulischen Vorstellungen aufgeführt. Diese Art der pädagogischen Vermittlung (immer mit Diskussionsveranstaltungen verbunden) wurde deshalb auch von dem Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ und von ‚100 Köpfe der Demokratie‘ der Theodor-Heuss-Stiftung Stuttgart finanziell unterstützt. In Bayreuth vor allem von der Fachstelle ‚Partnerschaft für Demokratie‘ im Landkreis Bayreuth und dem Kulturreferat der Stadt Bayreuth, während sich   das städtische Programm ‚Demokratie leben‘ auf bürokratische Hürden zurückgezogen hat und eine finanzielle Förderung verweigerte.

In der zweiten Projektphase wurde dann das Programm der ‚19. Bayreuther Gespräche 2024‘ entwickelt und Mitwirkende angesprochen. Dies war u.a. der Lehrstuhl für neueste Geschichte an der Universität Bayreuth von Frau Prof. Dr. Isabel Heinemann und unsere langjährigen Kooperationspartner in der Gedenkstättenarbeit in der Bayreuther Partnerstadt La Spezia im italienischen Ligurien, Fabrizio Dellepiane und Silvia Segalla. Das Thema ‚80 Jahre danach! Widerstand gegen das NS-Regime – Lehren für heute?‘ sollte durch das Theaterstück über Leuschner eingeleitet und nach Impulsreferaten in eine Diskussion mit dem Publikum münden.

Ab Juli 2024 wurde dann von unserem Stiftungsbüro das Layout für den Programmflyer entworfen, der Druck für Flyer und Plakat durchgeführt, sowie die Einladung für den Besuch des Theaterstücks an alle Schulen in der Region verschickt. Im August 2024 stand dann das Programm für die zwei Tage der Bayreuther Gespräche Ende September endgültig fest und die Einladungen an gesellschaftliche Institutionen und Parteien erfolgten. Insbesondere wurden auch die Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Region und die Stadtratsfraktionen in Bayreuth eingeladen. Es gab aber nur wenige Rückmeldungen und bei der Veranstaltung war dann auch kein Mandatsträger, außer drei Bayreuther Stadtratsmitglieder, anwesend.

Mit sechzig Teilnehmenden war die Veranstaltung am 29.9.24 ab 18 Uhr im ZENTRUM Bayreuth relativ gut besucht. Wilhelm Leuschner ist ein großer Sohn Bayreuths", lobte Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger in seinem Grußwort. Er zeichnete den Lebensweg Wilhelm Leuschners nach, der am 15. Juni 1890 in Moritzhöfen 25 in eine Handwerkerfamilie hineingeboren wurde. "Fast zwanzig Jahre lernte und arbeitete er in Bayreuth. Als Holzbildhauer zog er auf Wanderschaft und lernte in Darmstadt seine Frau kennen. Erst 1910 siedelte er nach Darmstadt über und gründete seine Familie. Die Erfahrungen in Bayreuth prägten ihn nachhaltig. Noch im Frühjahr 1907 tritt er in Bayreuth der Gewerkschaftsbewegung bei." Thomas Ebersberger erinnerte an den Weg des Sozialdemokraten Leuschners in die Politik, wo er unter anderem als hessischer Innenminister tätig war und nie die Schrecken des Ersten Weltkrieges vergaß: "Im Mai 1917 nach Frankreich in den Stellungskrieg bei Verdun versetzt, erfuhr er die Schrecken des Krieges unmittelbar." Im Februar 1933 drängten die Nazis Leuschner aus dem Amt, "seine mutige Auseinandersetzung mit dem aufkommenden Nationalsozialismus prägen die letzten Jahre seiner Amtszeit".

Wie bedeutend Leuschners Wirken bis heute ist, zeigte sich nach dem Theaterstück. Da drehte sich eine Diskussionsrunde um den aktuellen Rechtsruck in Europa und die Lehren des NS-Widerstands für die heutige Zeit.

Fabrizio Dellepiane aus der Bayreuther Partnerstadt La Spezia im italienischen Ligurien verwies in seiner Einführung auf die lange Zusammenarbeit mit der Wilhelm-Leuschner-Stiftung und dem Historischen Institut für Widerstand und Zeitgeschichte von La Spezia seit 2010 und Kooperationen Bayreuther Schulen (GCE und RWG) mit einem humanistischen Gymnasium und einer beruflichen Oberschule in La Spezia hin. Dadurch wurden in den vergangenen Jahrzehnten hunderte von italienischen Jugendlichen in der Leuschner-Gedenkstätte und an Gedenkorten in La Spezia mit dem deutschen und italienischen Widerstand gegen den Nazifaschismus vertraut gemacht. Weiterhin verwies er auf den europäischen Widerstand in Kampf gegen die Nazi-Barbarei und auf dessen Bedeutung auch nach achtzig Jahren. Er bildet noch heute ein Fundament für den Kampf gegen Faschismus und Krieg.

Anschließend hielt Dr. Julia Eichenberg von der Universität Bayreuth und dem Institut für fränkische Landeskunde in Thurnau ein Impulsreferat für die Einleitung zur Diskussion mit dem Publikum. Für die Erinnerungskultur des letzten Jahrhunderts sei das Wirken des Widerstands gegen das Nazi-Regime ein wichtiger Baustein für die heutige Auseinandersetzung mit der zunehmenden Verbreitung antidemokratischer Tendenzen in der Politik. Gerade die jüngere nachwachsende Generation brauche die Kenntnis der Geschichte von Diktatur und Autoritarismus.

In der anschließenden Diskussion, an der viele Multiplikatoren der Bildungsarbeit teilnahmen, wurde dieser Aspekt immer wieder aufgegriffen.

Thomas Ebersberger lobte Wilhelm Leuschner "als Brückenbauer zwischen verschiedenen Weltanschauungen zur Verteidigung von Humanität und menschlicher Freiheit". Sein Vermächtnis für soziale Gerechtigkeit und Humanität sei aktueller denn je. "Wir können stolz darauf sein, dass Wilhelm Leuschner in unserer Stadt aufgewachsen ist und die seit über 20 Jahren in seinem Geburtshaus angesiedelte Gedenkstätte, deren Existenz der Leuschner-Stiftung zu verdanken ist, gibt Zeugnis über sein Wirken ab. Für das in Bayreuth angestrebte NS-Dokumentationszentrum ist diese Einrichtung ein bedeutender Bestandteil." 

Im Anschluss an das Grußwort wurde das Theaterstück

‚Die Vermessung der Demokratie – Ein Leuschner-Portrait‘ von Jan Uplegger, Yumiko Tsubaki und Maria Hinze aufgeführt.

Nach dem Auftaktabend am Sonntag, den 29.9. wurden die Bayreuther Gespräche am Montag, den 30. September um 10 Uhr mit einer Schulaufführung des Theaterstücks im ZENTRUM fortgeführt. Über 300 Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Oberschule Bayreuth und des Bayreuther Gymnasiums Christian Ernestinum verfolgten gespannt das fünfundsechzigminütige Stück über Leben und politisches Wirken von Wilhelm Leuschner. Im Anschluss an die Aufführung gab Fabrizio Dellepiane einen kurzen Überblick über den Kampf in Italien 1944 gegen die deutsche Besatzung und welche Rolle Generalfeldmarschall Albert Kesselring (Abiturient 1904 am Bayreuther GCE) als Oberkommandierender der deutschen Besatzungstruppen spielte. In der anschließenden Diskussion mit den Schulklassen wurde ein großes Interesse an der Erinnerung an den Kampf gegen den NS-Terror deutlich, jedoch auch Resignation über eigene Handlungsmöglichkeiten gegen die heutige Rechtsentwicklung in Europa.

Der Tag wurde abgerundet am Abend des 30. September in der Studiobühne des Theaters Hof mit der Theateraufführung zum Leben Leuschners. Der DGB Oberfranken übernahm die Organisation und veranstaltete die anschließende Diskussion mit Stiftungsvorstand Wolfgang Hasibether. Im Gegensatz zur Vormittagsveranstaltung in Bayreuth war ein überwiegend älteres Publikum heftig mit der heutigen Rechtsentwicklung beschäftigt. Die Verteidigung der Demokratie stand im Mittelpunkt des Meinungsstreits.

Am Abend des 30. Septembers im Theater Hof verfolgten rund 50 interessierte Zuschauer das Stück

Das Ende des Projekts war die Evaluation durch beteiligte Schulklassen im GCE Bayreuth.

Am 11. Oktober 2024 diskutierte Wolfgang Hasibether mit der Klasse 11a der gymnasialen Oberstufe von Frau OStRin Doris Schim, die Wirkung des Leuschner-Stücks auf die Schulklasse. Für das Evaluationsprotokoll blieb festzuhalten, dass das Zusammenwirken von Text und Musik in der Vorführung nachhaltigen Eindruck hinterließ. Es wurde auch deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler vorher wenig über den deutschen Widerstand wussten. In der Diskussion über die Wirkungen des Widerstandes für die heutige Zeit wurde vor allem das mutige politische Handeln Leuschners durch die Klasse herausgestellt.

Als Fazit des Projekts kann herausgestellt werden, dass durch das Erreichen vieler pädagogischer Multiplikatoren weitere Schulvorstellungen in Hessen und Hamburg und in Oberfranken vermittelt wurden und im Oktober in der VHS Darmstadt eine Ausstellung der Leuschner-Stiftung eröffnet wurde und dort Führungen für Schulen stattfanden:

Wissenschaftsstadt Darmstadt: Ausstellung über den Gewerkschafter, Politiker, NS-Gegner und Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner ab 2. Oktober im Justus-Liebig-Haus

Die Resonanz auf die Veranstaltungen reicht mit Veranstaltungen der Stiftung weit in das Jahr 2025. Die finanzielle Förderung durch die Zuschussgeber erweist sich damit als besonders nachhaltig.

  1. Oktober 2024

Wolfgang Hasibether

Stiftungsratsvorsitzender

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