Am Samstag den 26. September 2015 fanden im Wilhelm-Leuschner-Zentrum in Bayreuth die 11. Bayreuther Gespräche statt. Mit wissenschaftlichen Experten wurde das Thema „Biographische Quellen in der Erinnerungskultur“ behandelt.
Nach einleitenden Worten durch den wissenschaftlichen Leiter der Wilhelm-Leuschner-Stiftung Wolfgang Hasibether, verlas Frau Röhler, Leiterin des Kulturamtes der Stadt das Grußwort der Oberbürgermeisterin der Stadt Bayreuth Brigitte Merk-Erbe, die Notwendigkeit der Erinnerungsarbeit an Wilhelm Leuschner betonte und der Stiftung für ihr Engagement dankte. Der DGB-Regionsgeschäftsführer für den Bezirk Oberfranken Mathias Eckardt richtete anschließend seine Grußworte an die rund 30 Besucher der Veranstaltung und erinnerte an den Vater der Einheitsgewerkschaft, dessen gesellschaftliches und politisches Engagement in Bayreuth und Europa nicht vergessen werden dürfe und durch das Engagement im Leuschner-Zentrum mit dem Nachlass Leuschners auch davor bewahrt würde.
Nach kurzen Vorträgen von Dr. Hans Simon-Pelanda (Bürgerinitiative KZ-Gedenkstätte Flossenbürg aus Regensburg), Dr. Barbara Distel (ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau) und Dr. Willy Buschak (DGB Sachsen und Fachautor zum Gewerkschaftlichen Widerstand, Dresden) über die Bedeutung von biographischen Quellen, begann eine rege Diskussion mit dem Plenum. Was kann man anhand von biographischen Quellen und ihrer subjektiven Färbung über die Vergangenheit erfahren? Was sagen fehlende Selbstzeugnisse über eine Zeit aus? Dr. Simon-Pelanda referierte darüber wie Schulkinder leichter den Einstieg in die NS-Zeit bekommen können. Selbstzeugnisse sprechen die Jugendlichen mehr an als schlichte Daten und Zahlen. Er berichtete über sein Projekt über das KZ–Außenlager Colosseum in Regensburg und wie die Schulkinder Zeitzeugen aufgespürt haben und diese zu Vorkommnissen während der Nazizeit befragt haben. Dies war so interessant für die Jugendlichen, dass diese sogar Samstag und Sonntag an diesem Projekt gearbeitet haben.
Dr. Barbara Distel stellte vor allem heraus das Archive und schriftliche Dokumente sehr wichtige Mittel sind, um hauptsächlich die Jugendlichen an eine Geschichte heranzuführen, die lange zurückliegt. Durch das aufgeschriebene Erlebte können sie an dem vergangenen Geschehen teilhaben und die Geschichte besser begreifen. Die biographischen Quellen wecken ihr Interesse weit mehr als trockene Geschichtsfakten.
Dr. Willy Buschak zeigte in seinem Vortrag die weitverzweigten Netze des gewerkschaftlichen Widerstands auf. Vor allem am Beispiel der Internationalen Transportarbeiter Föderation machte er deutlich wie stark der Widerstand innerhalb der Gewerkschaften war, obwohl diese sofort nach der Machtübernahme durch die Nazis zerschlagen wurden und dass es genug Pläne und Programme gab für einen Umsturzplan gegen die Nationalsozialisten.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Auffassung des Politologen und Wagnerforschers Professor Dr. Bermbach aus dem ehemaligen Wohnhaus Houston Stewart Chamberlains in Bayreuth, das heute als Jean-Paul-Museum dient, ein Forschungsinstitut zu machen und dort über dessen antisemitische Rasseideologie und Verbindung zur Wagnerfamilie zu forschen.
Frau Dr. Distel mahnte vor der Macht der Symbolkraft und was ein solches Haus für Zeichen an die Gesellschaft ausstrahlen würde. Denkbar wäre, dass es zu einer Pilgerstätte werden würde, wie das unweit in Wunsiedel liegende Grab Rudolf Hess’, das zwar längst aufgelassen ist, aber nach wie vor Nazis zu Demonstrationen anzieht. Willy Buschak plädierte dafür, Chamberlain wenn schon, dann nur im Zusammenhang mit Wagner abzuhandeln. Im Bezug zum Erinnern an Wilhelm Leuschner in Bayreuth sei es notwendig auf den gewerkschaftlichen Widerstand mehr Stolz zu entwickeln und im steten Erinnern nicht nachzulassen. Auch Frau Distel sieht die Notwendigkeit Chamberlain innerhalb der Wagnerausstellung zu behandeln und ihm kein solitäres Erinnern zu geben.
In der Diskussion mit den Besuchern wurde mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Kosten für ein Institut zur Erforschung der Chamberlain-Quellen in keinem Verhältnis zum finanziellen Aufwand stehen. Wolfgang Hasibether erinnerte an die ständigen Probleme die Erinnerungskultur in Bayreuth zu finanzieren. Die Quellen des Leuschner- Nachlasses im Archiv der Stiftung würden aufwendig digitalisiert und in der Bildungsarbeit im Rahmen der Leuschner-Gedenkstätte an die Besuchergruppen vermittelt. Dies sei klassische Gedenkstätten- und Museumsarbeit im Sinne des Themas der Bayreuther Gespräche: Sammeln, Forschen, Ausstellen und Vermitteln.
Im Anschluss an die Diskussion wurde, während eines Rundgangs, das im Keller des Wilhelm-Leuschner-Zentrums entstandene Archiv gezeigt. Es wurde in den nun fertig gestellten Räumen ein Ort geschaffen, an welchem der Nachlass Leuschners professionell aufbereitet zugänglich gemacht wurde.
Für die musikalische Begleitung des Abends sorgten Herbert Schmid und Theresa Weidhas aus Weiden. Mit Gitarre, Querflöte und Gesang wurden die Besucher noch lange unterhalten.